Tour Around Austria 2022 - Teil 2: Ungarn


Nach unserem Kurzbesuch in Kroatien ging es entlang der kroatisch-ungarischen Grenze wieder zurück und über den Grenzübergang Gorican weiter nach Ungarn, um Österreich nun gegen den Uhrzeigersinn zu umrunden. Am naheliegendsten wäre gewesen dafür einfach auf dem Iron Curtain Trail (EuroVelo13) entlang der Grenze zu bleiben; da wir die Strecke entlang der österreichisch-ungarischen Grenze aber teilweise schon kannten, entschieden wir weiter ins Landesinnere abzubiegen und einen größeren Umweg über den Balaton zu machen.




Also kreuzten wir den Iron Curtain Trail nur kurz und folgten dem R3 weiter, einem Radweg, der zwar einen weiteren kleineren Umweg bedeutete, aber als Alternative zur großen Straße Richtung Plattensee einfach verlockender wirkte. Wie sich herausstellte, existierte dieser "Radweg" allerdings nur auf der Karte und wir waren eigentlich immer auf Straßen unterwegs, aber immerhin hielt sich der Verkehr halbwegs in Grenzen. Und der Weg führte uns auch immer wieder durch hübsche kleine Ortschaften, vorbei an vielen bewohnten Storchennestern und Schafherden. 


 


Nach knapp 70 Kilometern kamen wir in Nagykanizsa an und bekamen direkt in der Altstadt ein Zimmer im Hotel Central. Außen eher unscheinbar, erinnern ein schönes Stiegenhaus mit Jugendstilfenstern und nostalgisch eingerichtete Zimmer mit hohen Flügeltüren an die erste Inbetriebnahme im Jahr 1913. Nachdem wir unser ganzes Zeug aufs Zimmer gebracht und mit dem Rezeptionisten einige Worte auf Ungarisch gelernt hatten, machten wir uns auf die Suche nach der Spezialität der Region: Dödölle, eine Art Schupfnudeln aus Erdäpfelteig, denen jedes Jahr sogar ein eigenes Festival in der Stadt gewidmet wird. 2006 wurden 2.331 Portionen davon zubereitet und damit sogar ein Weltrekord aufgestellt. Uns hätte ja eine Portion gereicht, aber leider hatten wir kein Glück und machten uns stattdessen über Salate, Knoblauchkartoffeln und Pommes her.




Tag 4: Auf abenteuerlichen Wegen von Nagykanizsa nach Tekenye (21. Juli 2022)



Auf vorwiegend ruhigen Nebenstraßen setzten wir unseren Weg zum Balaton fort. Je näher wir der Touristmusregion um den Plattensee kamen, umso öfter waren wir auch wieder auf richtigen Radwegen unterwegs und kamen auch an zahlreichen Baustellen vorbei - das Radwegenetz dürfte sich also in den kommenden Jahren noch weiter verbessern. Kurz vor dem See führte uns ein neu asphaltierter Radweg durch das Naturschutzgebiet Balaton-felvidéki Nemzeti Park, wo wir mit 155m ü. M. auch den niedrigsten Punkt auf der gesamten Reise erreichten. 


 


Und schon lag der Balaton vor uns, mit knapp 600km2 der größte See Mitteleuropas. Entlang der Uferpromenade spazierten und radelten wir nach Keszthely und zum Schloss Festetics, einem beeindruckenden Schloss aus dem 18. Jahrhundert, das Julia vor einigen Jahren bei einem historischen Ball erleben und hier sogar übernachten durfte.  
 

 


Auf Keszthely freuten wir uns aber nicht nur wegen See und Schloss, sondern auch wegen dem neu angelegten Radweg 13, der vom Balaton zum Neusiedler See führt, genauer gesagt vom Schloss Esterhazy in Fertöd zum Schloss Festetics in Keszthely, weswegen die Fahrradtour auch den Beinamen "Vom Schloss zum Schloss" trägt. Anfangs sah dieser Weg auch nach einem wirklich schönen Radweg aus, über viele Kilometer führte ein gepflasterter Weg kerzengerade durch einen schattigen Wald. Dieser endete allerdings doch bald wieder auf einer Straße und schließlich sogar auf einem unbefestigten Sandweg, den wir uns vor allem bei regnerischem Wetter recht spannend vorstellen... 




Kurz nach Kisgörbő verließen wir den "Radweg" für einen weiteren kleinen Umweg durch Weingärten und über einen verwilderten Waldweg nach Tekenye, wo wir in einem traditionellen Bauernhaus übernachten wollten, das aber leider nicht mehr frei war. Stattdessen wurden wir kurzerhand in einem kleinen Apartment im Hofgebäude der Familie einquartiert. Inklusive Begrüßungsjause mit Speck, Brot, Gemüse, Wein und netten Gesprächen. Für die Zukunft sind dort auch noch weitere Unterkünfte geplant, u.a. in Jurten, wir müssen also auf jeden Fall wiederkommen! Dann aber eher nicht mehr auf abenteuerlichen Wegen, sondern über den ebenso nahegelegenen EuroVelo14.


 


Tag 5: Bei 45°C nach Celldömölk (22. Juli 2022)



Der neue Tag startete wie der hervorgehende endete: mit tollem Essen und netter Gesellschaft. Ersteres in Form einer riesigen Pfanne mit gefühlt 20 Eiern, die mit Speck und Zwiebeln zu einem reichhaltigen Frühstück verwandelt wurden. Danach waren wir so vollgemampft, dass wir am liebsten gleich wieder schlafen gegangen wären 😉




Gleich aufs Fahrrad schwingen war aber ohnehin kein Thema. Die Offroadstrecke des Vortages hatte scheinbar zu einem Patschen an Julias Fahrrad geführt und der Übeltäter war auch schnell gefunden: ein garstiger kleiner Akazienstachel steckte im hinteren Reifen. Ja, natürlich im Hinterrad, vorne wär ja fad 😉




Nach dem kleinen Reparatureinsatz fuhren wir wieder zurück zum "Radweg" und setzten unseren Weg fort. Die weitere Strecke hielt zwar keine Offroad-Abschnitte mehr bereit, dafür waren wir wieder vorwiegend auf Straßen unterwegs, die sich dort nahezu schnurgerade durch die Landschaft ziehen. Fehlender Schatten und Temperaturen über 40°C verwandelten das Trinkwasser in unseren Edelstahl-Trinkflaschen bald zu Teewasser und irgendwann schien sich damit zu übergießen verlockender als es noch zu trinken. Als das Thermometer schließlich 45°C zeigte, entschieden wir das Radeln im nächsten Ort nach nur knapp 50 Kilometern sein zu lassen. Und einen besseren Ort als Celldömölk hätten wir uns für einen freien Nachmittag gar nicht aussuchen können, immerhin wartete dort ein Thermenhotel auf uns. In die Therme bei 45°C? Jaaaaaaa, denn in jeder Therme gibt es auch kühlere Becken und noch kühlere Sportbecken und genau in diesen verbrachten wir den restlichen Tag.




Tag 6: Zum Kurzbesuch ins Burgenland (23. Juli 2022)



Bevor wir Celldömölk wieder verließen, besuchten wir noch kurz die barocke Abteikirche zur Hl. Jungfrau Maria, die nach dem Vorbild der Basilika Mariazell gebaut wurde und dem Ort den Namen Kleinmariazell verlieh. Beide Kirchen sind auch durch den Weitwanderweg Mariazellerweg miteinander verbunden. Und während sich Julia zur üblichen Kirchenbesichtigung aufmachte, erfreute sich Walter am erfrischenden Sprühnebel, der am Vorplatz zu finden war.




Eine gute Abkühlung bevor wir uns wieder auf den Weg machten: immer weiter geradeaus geradeaus geradeaus... Bei Temperaturen, die auch weiterhin für Tea-Time in den Trinkflaschen sorgte.




Was uns die Hitze durch Ungarn erträglich machte, waren die vielen kleinen Supermärkte, die wir in beinah jeder Ortschaft finden konnten. Meist nicht auf den ersten Blick erkennbar, bekamen wir dort immer kalte Getränke und Eis und machten dementsprechend viele Pausen. 





Kurz vor Fertőd kam schließlich auch endlich eine andere Abkühlung in Sicht! Das Gewitter erreichte uns, als wir vor Schloss Esterházy standen. Perfektes Timing, immerhin fanden wir gleich gegenüber - in einem ehemaligen Leibwächtergebäude - einen trockenen Platz für uns und unsere Fahrräder im Restaurant Gránátos. Und nutzten die Pause auch gleich für ein verspätetes Mittagessen mit Gulaschsuppe und Samlauer Nockerl ❤


 


Genauso schnell wie es gekommen war, war das Gewitter auch wieder verschwunden und hinterließ herrlich frische Luft und noch herrlichere 23°C. Nur noch wenige Kilometer bis zum Grenzübergang Pamhagen und schon radelten wir wieder auf österreichischem Boden. Genauer gesagt durchs Burgenland. Einen eigenen Blogbeitrag bekommt das Burgenland aber nicht, dafür waren wir hier viel zu kurz 😉





Abermals kreuzten wir den Iron Curtain Trail und radelten am Jubiläumsradweg weiter zum Zicksee, der diese Bezeichnung leider nicht mehr verdient hatte. Wie auch der nahegelegene Neusiedlersee leidet der kleine Steppensee schon seit Jahren unter der zunehmenden Trockenheit und war nun tatsächlich komplett ausgetrocknet. Erst wenige Tage zuvor hatte man die Angler aus der Umgebung zusammengetrommelt, um die restlichen Fische zu retten und umzusiedeln. Dementsprechend verlassen und irgendwie deprimierend wirkte der Campingplatz direkt am "See". Abgesehen von einigen Dauercampern und einem weiteren Radreisepärchen teilten wir uns den Platz mit vielen Zieseln, die streng unter Naturschutz stehen und einfach überall in der Gegend zu finden sind. Unsere Vorräte wurden in den Satteltaschen diesmal also extra gut eingepackt und versteckt. Beware of the Ziesel! 😅




Tag 7: Durch Österreich und Ungarn in die Slowakei (24. Juli 2022)



In der Nacht hatte es noch ein weiteres Unwetter gegeben und wir freuten uns richtig über die ungewohnt frischen Temperaturen, bei denen wir diesmal aus dem Zelt krochen. Auch wenn diese nicht lange so frisch bleiben würden, immerhin versprach uns die Wettervorhersage einen weiteren heißen Radltag. 




Begleitet vom Gefiepsel der Ziesel packten wir unser Zelt und Zeug wieder zusammen und fuhren erst am Jubiläumsradweg und schließlich am Lackenradweg B20 weiter nach Frauenkirchen. 




Wir radelten weiter nach Halbturn und zum gleichnamigen Schloss, das zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Jagdschloss für Kaiser Karl VI erbaut wurde, spazierten durch den Schlosspark, genossen im Restaurant Knappenstöckl eine Kaffeepause mit Blick aufs Schloss und setzten unseren Weg wieder fort. 




Zur Abwechslung kreuzten wir den Iron Curtain Trail in Halbturn nicht nur, sondern folgten dem Radweg nun wieder weiter. Vorwiegend auf ruhigen Nebenstraßen ging es durch das Grenzgebiet von Österreich und Ungarn, wo Walter 1996 auch Grenzdienst absolvieren musste. Stellt das Überqueren der Grenze hier für Radreisende kein großes Problem mehr dar, erinnern Denkmäler entlang der Strecke immer wieder an den ernsten historischen Hintergrund. So auch kurz vor Nickelsdorf, wo zum 30jährigen Jubiläum nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der Gedenkstein "Flucht & Hilfe 1989" errichtet wurde. 





In Deutsch-Jahrndorf verließen wir den Iron Curtain Trail auch schon wieder und besuchten das Dreiländereck Österreich-Ungarn-Slowakei, zugleich auch der östlichste Punkt Österreichs. In der Ferne konnten wir bereits Bratislava entdecken und somit wurde es nun bald endgültig Zeit sich von Ungarn zu verabschieden. Ein Land, das uns vor allem wegen seiner Freundlichkeit und Gastfreundschaft unglaublich begeistert hat. Viszlát Magyarország, wir kommen bestimmt wieder ❤





weiter zu Tag 3: Slowakei

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